Mordechaj Anielewicz:
Kommandant des Aufstandes im Warschauer Ghetto
Sabine Gebhardt-Herzberg (Vorwort zum Buch: "DAS LIED IST GESCHRIEBEN
MIT BLUT UND NICHT MIT BLEI" - Mordechaj Anielewicz und der Aufstand im Warschauer
Ghetto)
Was wissen wir über
Mordechaj Anielewicz? Yisrael Gutman, der
als sehr junger Mann selbst im Warschauer Ghetto kämpfte, hat es folgendermaßen
formuliert: "Wir kennen den Namen Mordechajs, wir sammeln in unseren Händen
Stückchen seiner Biografie und wir schauen gebannt auf die Aufgabe, die dieser
Mensch erfüllte. Manchmal wirkt sein Name auf uns wie jene Sterne, die schon
verglüht und daher selbst nicht mehr zu sehen sind".
Doch was wissen wir über Mordechajs Leben, seine
Familie, seinen Charakter, seine Träume? Nicht vieles, was wirklich gesichert
ist. Dafür gibt es umso mehr Legenden.
Der Aufstand im Warschauer Ghetto im Frühjahr
1943 ist zu einem Symbol jüdischen Heldenmutes geworden. Und nicht viele der
ehemaligen Ghettokämpfer haben den Krieg überlebt. Von den ehemaligen
Ghettokämpfern, die überlebten, sind insbesondere Yitzchak Cukierman, Cywia
Lubetkin und - vor allem - Marek Edelman mit Interviews und/oder eigenen
schriftlichen Erinnerungen an den Aufstand an die Öffentlichkeit getreten.
Mordechaj selbst hat den Krieg nicht überlebt. Er
fiel während des Aufstandes. So haben wir keine Informationen aus allererster
Hand.
Aber es gibt ein paar sehr gute Bekannte Mordechajs, die den Krieg überlebt
haben, und diese heute in Israel lebenden Menschen habe ich interviewt. Diese
Wenigen, die ihn wirklich kannten, habe ich gebeten, sich so genau wie möglich
an jedes Detail zu erinnern.
Diese Einzelheiten über Mordechajs Leben, seinen
Charakter, seine Träume - und es war nicht sein Traum zu sterben, wie von den
Leuten behauptet wird, die ihn weniger gut oder fast gar nicht kannten - habe
ich in diesem Buch zusammengetragen. Ich habe versucht, aus diesen Erinnerungen
ein möglichst lebendiges Bild vom Kommandanten des Warschauer Ghettoaufstandes
erstehen zu lassen. Ein lebendiges Bild von Mordechaj und vom Leben und Sterben
der Juden in Polen unter der nationalsozialistischen Besatzung.
Ich wollte von der damaligen Situation
der Menschen und ihren Emotionen schreiben, um den Lesern von heute
die Umstände des Lebens und Sterbens, wie es damals war, soweit wie überhaupt
möglich, nahebringen zu können. Mit Zahlen und Fakten allein geht das nicht.
Deswegen enthält mein Buch neben den wesentlichen historischen Fakten sehr viele
Augenzeugenberichte.
Ich habe versucht, eine atmosphärische
Schilderung eines Abschnittes der Geschichte zu geben - sozusagen die Zeit
zurückzudrehen und das Ghetto, die Menschen wiederauferstehen zu lassen.
Ich suchte im ehemaligen Ghettobezirk, später in
Powisle, wo Mordechaj und seine Familie vor dem Krieg gelebt hatten. Ich
besuchte die "alten Plätze", das Jüdische Historische Institut, das jüdische
Theater, die Denkmäler... Bei meinen Gängen durch den ehemaligen Ghettobezirk
und durch die Solecstraße in Powisle drehte ich sozusagen jeden Stein um, um
nach Spuren der Vergangenheit zu suchen.
Eine Vergangenheit, die für mich keine richtige
Vergangenheit ist. Denn eine Vergangenheit kann man irgendwann irgendwo "
einsortieren", ihr einen Platz geben, wo sie Erinnerung wird. Eine Erinnerung
könnte man, wie ein Foto, zwar immer wieder hervorholen und sie betrachten -
aber sie ist kein Bestandteil der aktuellen Lebensgestaltung. Die Toten sind
tot. Das Leben entwickelt sich in Wechselbeziehung mit den Lebenden, nicht -
oder weniger - mit den Toten. Wir können die Toten und ihr abgerissenes, so
schrecklich beendetes Leben aber nicht an irgendeinem Platz der Erinnerung "
ablegen". Manchmal fühlte ich mich wie eine Suchende in einem Geisterreich. Ich suchte die
Geister der Toten, weil ich ihren Tod nicht akzeptieren konnte. Natürlich sind
sie tot, und doch... Und doch drehte ich jeden Stein im ehemaligen Ghetto um, um
wenigstens ihre Spuren zu finden. Dort, wo einst jüdisches Leben war.
Bei denen, die mit mir gesucht haben oder mir bei
der Suche halfen, bedanke ich mich. Ich danke allen meinen Freunden und
Interviewpartnern in Israel und in Polen für ihre Mithilfe bei der Entstehung
dieses Buches. Speziell danke ich Matitjahu Minc, Prof. emerit. am Lehrstuhl für
Geschichte an der Tel Aviv Universität, für die Durchsicht des Manuskripts.
Ebenso den Leuten von Givat Haviva - ihnen besonderen Dank für die zur Verfügung
gestellten Fotos von Mordechaj Anielewicz -, Yisrael Gutman, den Leuten der
Kibbuzim Yad Mordechaj und Lohamei Hagetaot, Tereza Serbenska, Zofia und den
Leuten vom Jüdischen Historischen Institut in Warschau sowie dem netten
polnischen Polizisten, der mir half, noch mehr in verschiedenen Hinterhöfen
versteckte Reste des ehemaligen Ghettos zu finden.

Sabine Gebhardt-Herzberg
Ljubljana, April 2003
Das Buch kann bei Sabine Gebhardt-Herzberg,
per
e-Mail
oder per Post bestellt werden:
Sabine Gebhardt-Herzberg, Hornfischer Straße 6, 90453 Nürnberg
"DAS LIED IST GESCHRIEBEN
MIT BLUT UND NICHT MIT BLEI"
- Mordechaj Anielewicz und der Aufstand im Warschauer
Ghetto
Neuer Preis 9,95 Euro / ISBN 3-00-03643-6
Weitere Information:

haGalil onLine 12-02-2004
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